Tunesiens Regierungschef bittet das Parlament um außerplanmäßige Hilfsmittel und spricht über seinen Wunsch nach einem demokratischen, nicht theokratischem Land.

Interview: Hamadi Jebali, ein Garant für Demokratie in Tunesien?

https://api.multimedia.europarl.europa.eu/documents/20125/16090650/n003-0204-de_mf.srt

Hamadi Jebali, Sie sind  Ministerpräsident von Tunesien.

Willkommen in Brüssel.  Es ist Ihr zweiter Besuch hier.

unter anderem Ratspräsident  Herman Van Rompuy und die MdEPs.

"Garantien vonseiten  der tunesischen Führung,

dass der demokratische Übergang  irreversibel ist."

"Das ist die Voraussetzung  für unsere Zusammenarbeit."

Es bestehen offenbar Zweifel.  Können Sie das nachvollziehen?

Ich denke nicht, dass es Zweifel gibt  oder Garantien gefordert werden.

Aber es gibt Ängste  seitens unserer Freunde,

Sie betreffen nicht nur Europa,  sondern auch Tunesien selbst.

Aber ich darf Sie korrigieren:  Niemand hat Garantien verlangt.

Man hat mir gegenüber  allerdings den Wunsch geäußert,

die Regierung  möge mit Entschlossenheit vorgehen.

Das fordern wir selbst übrigens auch,  ebenso wie unsere Bürger,

und ich kann Ihnen versichern,  dass wir das tun und bisher getan haben.

Wir gehen entschieden gegen  jegliche Form der Rechtsverletzung vor,

vor allem wenn es sich um Gewaltakte  gegen Bürger handelt.

Statt um eine Garantie  hat man uns um Kooperation gebeten.

Hier in Brüssel  war viel von Demokratie die Rede.

Am 23. Oktober 2011  haben die tunesischen Bürger gewählt,

aber fast ein Jahr später hat das Land  immer noch keine Verfassung,

obwohl man deren rasche Erarbeitung  versprochen hatte.

Sie haben über Menschen-  und speziell Frauenrechte gesprochen.

Die Ausarbeitung der Verfassung  innerhalb eines Jahres

wäre schön und wünschenswert gewesen,

aber wir müssen uns  den Tatsachen stellen.

Es ist nicht die Schuld  einer bestimmten Partei.

Wir müssen jedoch auf eine Weise  zusammenarbeiten,

die uns schnellere Fortschritte  ermöglicht.

Das Wichtigste ist, dass wir  einen nationalen Konsens erzielen,

Wir müssen zu einer Einigung  unter den Parteien gelangen.

Ich hoffe,  dass wir einen Gang hochschalten

Mit diesem Wunsch richte ich mich  an die Verfassungsgebende Versammlung,

obwohl die Regierung  natürlich ebenfalls eine Rolle spielt.

Sie muss eine positive Dynamik  zwischen den Akteuren schaffen.

Das dürfte angesichts  der Gewalt in Tunesien schwierig werden.

Im Mai haben Sie gesagt,  und ich berufe mich auf Ihre Worte...

Sie haben die damaligen Gewaltausbrüche  den Salafisten zugeschrieben.

"Sie verbreiten ein falsches Bild  vom Islam, das Angst schürt."

"Die Bürger haben genug. Wir werden  alle rechtlichen Mittel ergreifen."

Nun ist die Situation ähnlich,  wie man am 14. September gesehen hat.

Infolge des Mohammed-Films kam es  in der gesamten Region zu Unruhen,

Das ist wahr, aber wir  müssen das im Kontext betrachten.

Tunesien hat kein Problem  mit kontinuierlicher Gewalt.

Es handelt sich um isolierte,  vereinzelte Ausbrüche.

Aber natürlich müssen wir  entschieden dagegen vorgehen,

unter Berücksichtigung des Rechts  und der Freiheiten.

Wir gehen resolut  gegen jegliche Form von Gewalt vor.

Im Süden Tunesiens  liegt die Arbeitslosigkeit bei über 50%.

Was genau erwarten Sie  von der Europäischen Union?

Wir suchen stets die Hilfe  unserer Freunde und Verbündeten,

denn sie ist oft wirksamer,  direkter und auch schneller.

2013 wird ein schwieriges  und entscheidendes Jahr für uns.

Neben der Ausarbeitung der Verfassung  müssen Wahlen durchgeführt werden,

und wir müssen die dringlichen sozialen  und wirtschaftlichen Probleme lösen,

Kurz zum Arabischen Frühling,  der ja in Tunesien begonnen hat.

In Syrien herrschen  katastrophale Zustände.

Was sollte Baschar al-Assad  Ihrer Ansicht nach tun?

Er muss so schnell wie möglich abtreten.

Es ist offensichtlich,  wie die Sache enden wird.

In unserer Welt  haben Diktaturen keinen Platz mehr.