Hat die EU definitiv gegen Russland verloren bei den Bemühungen, eine Allianz mit der Ukraine einzuleiten? Elmar Brok meldet sich zu Wort.

Kiew am Scheideweg: Welche Richtung schlägt die Ukraine ein?

https://api.multimedia.europarl.europa.eu/documents/20125/16456018/n003-0273-de.srt

Sie sind am Sonntag  aus Kiew zurückgekommen.

Wie schätzen Sie die Lage ein?  -Als sehr brenzlig und sehr gefährlich.

Präsident Janukowitsch hat sich klar  entschieden, Richtung Russland zu gehen.

Aber ein Großteil der Bevölkerung  ist dagegen.

Ich weiß nicht, wie die Positionen  miteinander versöhnt werden können.

Ich hoffe, der Präsident hat die Größe,

über einen runden Tisch  Diskussionen zu führen,

die die Probleme lösen  und friedliche Methoden ermöglichen

und auch dem Willen des Volkes,  nach Europa zu gehen, die Türen öffnen.

Seit einer Woche demonstrieren  Hunderttausende Menschen.

Viele Demonstranten  waren darüber enttäuscht,

wie lange es gedauert hat,  bis aus Brüssel eine richtige Antwort kam.

Wir haben sie von Anfang an unterstützt.

Deshalb sind wir auch mit einigen MdEPs  von der EVP dort gewesen.

Es wird endlich Zeit,  dass auch Frau Ashton dorthin fährt

und so einen Beitrag leistet zu einem  Dialog zwischen den streitenden Parteien

und einem demokratischen  und friedlichen Prozess.

Einige Ihrer Kollegen sagen,  Russland habe das Spiel gewonnen

Es wurde ein Spiel gewonnen, aber  die Saison ist noch nicht entschieden.

Ich hoffe,  der Wille der Bevölkerung setzt sich durch

der wirtschaftlichen Modernisierung,  der besseren Lebensumstände

gewinnt gegenüber  kurzfristigen Überlegungen,

die mit einseitigen Interessen  einer bestimmten Clique zu tun haben.

Einige Ihrer Kollegen sagen,  auch hier im Parlament,

man müsse die Ukraine  selbst entscheiden lassen,

Man könne das selber bewältigen.  Was sagen Sie dazu?

Das ist richtig,  und wir tun auch nichts anderes.

Die Entscheidung muss in Kiew fallen,  nicht in Brüssel oder Moskau.

Wenn die Bevölkerung in der Ukraine  entscheiden will, bin ich sicher,

wie sie entscheiden wird.  Wir können nur ein Angebot machen.

Niemand hat das Recht, die souveräne  Entscheidung eines Volkes zu beeinflussen.

Russland hat das  mit Handels- und Boykottmaßnahmen,

Sie versuchen systematisch, die Ukraine,  wie zuvor mit anderen Methoden Armenien,

an einer souveränen Entscheidung  zu hindern.

Janukowitsch ging es  um ein Zollabkommen, hieß es.

Glauben Sie, das ist das Einzige,  worum es ging?

Nein, er hätte ja ein sehr viel besseres  Handelsabkommen mit uns gehabt,

aber er fürchtet den Druck Russlands,  der bereits große Schäden bewirkt hat.

Putins Politik zielt darauf ab, das  alte russische Empire wieder zu errichten.

Darum geht es hier, nicht um  Handelsfragen oder Handelszonen.

Russland möchte  das alte Zarenreich wieder errichten.

Deshalb versucht man, die Länder,  die Unabhängigkeit gewonnen haben,

jetzt wieder  unter Moskaus Zügel zu bringen.

In der Ukraine, besonders in Kiew,  hatten die Leute Angst,

Wie weit sind Sie bereit zu gehen,  falls es tatsächlich dazu kommt?

Das hat die Bevölkerung zu entscheiden.

wieder einer Art russisch-sowjetischem  Druck ausgesetzt zu werden.

Sie wollen ihre Freiheit haben. Die  Menschen dort fürchten um ihre Freiheit.

Es ist unsere Pflicht,  diese Wünsche ernst zu nehmen.

Es hieß oft, die EU sei zu weit gegangen,  habe sie zu sehr in Schutz genommen.

Es sei eine Frage der ukrainischen Justiz.  Diese müsse damit auskommen.

Laut Rechtsexperten und dem  Europäischen Menschenrechtsgerichtshof

Daher ist es unabhängig von Timoschenko  erforderlich,

die Macht des Generalstaatsanwaltes,  die derzeit höher ist als die der Richter.

Die Rechtsstaatlichkeit ist eine Bedingung  für die Entwicklungsfähigkeit.

Wenn wir auf Demokratie  und Rechtsstaatlichkeit verzichten,

brauchen wir über unsere Werte  nicht mehr zu reden.

"Wenn es in Richtung EU weitergeht,  können wir über die Mitgliedschaft reden?"

Es ist ein Entwicklungsprozess  auf beiden Seiten.

Die Ukraine hat Probleme, die Bedingungen  eines Assoziierungsabkommens zu erfüllen.

Ist das erreicht,  kann man über den nächsten Schritt reden.

Bis zum Kandidatenstatus ist es  noch ein weiter Weg

angesichts der  derzeitigen Entwicklungsfähigkeit

Wir haben da  eine europäische Perspektive.

Man könnte als Zwischenstation  eine Norwegen-Lösung erwägen,

Norwegen ist Teil des Binnenmarktes  und des Schengen-Systems.

Der Weg in dieser europäischen  Perspektive muss schrittweise vorangehen,

entsprechend der Fähigkeit eines Landes,  diesen Weg zu gehen,

Elmar Brok,  ich danke für das Gespräch.