Angesichts der vier gegen sie verhängten Fatwas und des auf sie ausgesetzten Kopfgeldes plädiert die bangladeschische Sacharow-Preisträgerin und Frauenrechtlerin gegen Unterdrückung.

Im Interview: "Die Islamisten könnten den Arabischen Frühling gefährden" - Taslima Nasrin

https://api.multimedia.europarl.europa.eu/documents/20125/15755319/n003-0153-de_mf.srt

Taslima Nasrin, Sie sind Ärztin,  Dichterin, Schriftstellerin,

Vonseiten muslimischer Extremisten  wird Ihnen Hass entgegengebracht.

Was missfällt diesen Leuten  an Ihren Aktivitäten am meisten?

Vor allem meine Äußerungen,  der Islam sei nicht mit Frauenrechten,

Menschenrechten,  Säkularismus und Demokratie vereinbar.

Ich werde in aller Welt von  muslimischen Fundamentalisten gehasst,

und auch generell von frauenfeindlichen,  chauvinistischen Elementen.

Es gefällt ihnen nicht,  dass ich für Frauenrechte kämpfe.

Mehrere Fatwas  wurden gegen Sie verhängt.

Eine solche Verurteilung  ist erschreckend.

Führen Sie also  ein Leben in ständiger Angst?

Ja. Vor 17 Jahren zwang man mich,  Bangladesch zu verlassen.

wurde aber von der dortigen Regierung  des Landes verwiesen.

Erst letztes Jahr wurde mir  eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Das Leben in Indien  ist sehr schwierig für mich,

weil ich von Fundamentalisten  und Frauenfeinden umgeben bin,

aber ich halte meinen politischen Kampf  für sehr wichtig.

Ich will das Bewusstsein der Menschen  schärfen.

Im Zuge des Arabischen Frühlings hoffen  Frauengruppen in Nordafrika darauf,

eine bedeutendere Rolle in  der Gesellschaft einnehmen zu können.

Ist das realistisch oder könnten  die extremeren islamistischen Elemente

Durchaus. Die korrupten Diktaturen  waren immerhin säkular orientiert.

Ich bezweifle, dass die Demokratisierung  in den arabischen Ländern

säkulare Parteien  an die Regierung bringen wird.

Die Islamisten werden versuchen, sich  den politischen Einfluss zu sichern,

und sie werden den Frauen  keinerlei Möglichkeiten geben...

daran als gleichberechtigte Partner  teilzuhaben.

Sie werden versuchen,  ein theokratisches System zu schaffen,

das die Frauen  nach Hause an den Herd verbannt.

Sie wurden vielfach ausgezeichnet,  u. a. 1994 mit dem Sacharow-Preis.

Ist das für Fundamentalisten  in islamischen Ländern ein Beweis,

dass der Westen Sie  als Werkzeug gegen sie einsetzt?

Ist die Unterstützung des Westens  hilfreich oder hinderlich

für Ihre Bemühungen  um Gleichberechtigung?

der Westen schätze mich nur, weil ich  dem Islam kritisch gegenüberstehe.

Aber es ist kein Kampf  zwischen dem Westen und dem Islam.

Es handelt sich  um eine andere Art von Konflikt,

nämlich den Konflikt zwischen  Säkularismus und Fundamentalismus,

zwischen irrationalem, blindem Glauben  und rationalem Denken

und zwischen Freiheitsliebe  und Unterdrückungsbestrebungen.

Es ist kein Kampf  zwischen Ost und West

oder zwischen dem Islam  und dem Christentum.

Es ist ein Kampf zwischen  rationalem Denken und blindem Glauben.

In Bangladesch und Indien  gibt es viele Frauen,

Viele Leute sprechen  von einem "Taslima-Effekt".

Sie sehen darin einen Zusammenhang  mit meinen Schriften,

die Frauen ja zum Kampf  gegen Frauenfeindlichkeit,

männlichen Chauvinismus und  religiösen Fundamentalismus ermutigen

Dies sind ja die Kräfte,  die immer wieder versuchen,

die Gleichberechtigung von Frauen  zu verhindern.

Taslima Nasrin, herzlichen Dank.  Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Arbeit.