Der erste nicht-kommunistische Premierminister Polens im Gespräch mit EuroparlTV. Was hat ihn dazu inspiriert, trotz Risiken am Umsturz des Regimes mitzuwirken und wie sieht Ost- und Zentraleuropas Zukunft aus?

Im Interview: Tadeusz Mazowiecki: Engagement war notwendig, trotz Risiken

https://api.multimedia.europarl.europa.eu/documents/20125/14495053/p005-00092-de.srt

Mein heutiger Gast   ist Tadeusz Mazowiecki,

der erste nicht-kommunistische   Ministerpräsident Polens

Sogar der erste   nicht-kommunistische Ministerpräsident

aller ehemaligen Staaten   des Warschauer Paktes

Er ist in Brüssel zur Eröffnung   einer Ausstellung im EP,

die sich der polnische Befreiung nach   dem Ende des Kommunismus widmet.

und saß wegen seiner Arbeit   für Solidarność in Haft.

Als Politiker, der vor   und seit dem Kommunismus aktiv war,

lernte er das politische Leben   von vielen Seiten kennen,

blieb dabei aber immer   überzeugter Katholik,

ein Glaube,   der seine Politik getragen hat.

Finden Sie, dass die Ausstellung,   der Sie beiwohnten,

angemessen widerspiegelt, was in Polen   und letztlich auch anderswo geschah?

Keine Ausstellung wird gänzlich   diese Geschichte wiedergeben können,

die komplex war,   die man erfahren musste,

aber ich glaube, soweit eine Ausstellung   Wirklichkeit widerspiegeln kann,

gelingt es der Ausstellung,   Geschichte zu zeigen.

Solidarność   führte die Befreiungsbewegung

Glauben Sie,   dass diese Versprechen erfüllt wurden?

Und war Ihnen klar,   was Sie in Gang setzten?

Was für ein Lauffeuer   Sie dort entfachten?

Mir war sehr bewusst,   was für eine Ära damals begann,

und ich war überzeugt davon,   dass es uns diesmal

gelingen könnte   und wir Erfolg haben könnten.

Wäre ich davon nicht überzeugt gewesen,

hätte ich diese Funktion   nicht ausüben können.

Der tiefe Glaube daran   war eine Voraussetzung.

Ich empfand es auch   als meine große Pflicht,

Polen sicher durch diese   schwierige Phase zu führen.

Einige Monate lang   war Polen das einzige Land,

das einen derart   tiefgreifenden Wandel durchmachte.

Und in dieser Zeit   zählten Monate wie Jahre.

Mit Blick auf Polen und die anderen   ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten,

die aus mehr als 40 Jahren   Kommunismus hervorgingen -

glauben Sie,   dass es da noch viel zu tun gibt

im Hinblick auf politische Reformen   und die dazugehörige Geisteshaltung?

Ich denke, es wurden viele radikale   Veränderungen vorgenommen

hinsichtlich der demokratischen Struktur.

Die Wirtschaft hat ebenfalls   einen wichtigen Wandel durchgemacht

mit der Einführung   der freien Marktwirtschaft.

All das führte auch zu einem Wandel   in der Geisteshaltung der Menschen.

Das Problem war, dass die Menschen,   die den Kommunismus erlebt hatten,

davon ausgingen, dass der Staat   sie mit allem versorgen würde.

wie man es in der freien   Marktwirtschaft sein muss.

Das hat sich geändert,   die neue Generation ist anders.

Die junge Generation   erinnert sich nicht mehr an diese Ära.

Sie erfahren darüber   natürlich durch ihre Eltern.

Die jungen Leute kennen nicht   die Strapazen, die wir erlebten,

aber die Probleme,   mit denen sie konfrontiert sind...

Sie wissen, dass sie selbst   für ihre Zukunft sorgen müssen,

da ihnen das keine Organisation   wie der Staat abnehmen kann.

zur Zeit der Streiks   in Danzig und anderswo.

War Ihnen klar... Sie müssen sich   der Gefahren bewusst gewesen sein,

Sie waren schließlich ein Jahr inhaftiert.

Was brachte Sie dazu, trotz der Angst   und Einschüchterung weiterzumachen?

Ich war überzeugt, dass der Streik   nicht im Blutvergießen enden müsste

und man sich trotz des Risikos   einbringen musste,

Die blutige Niederschlagung der Streiks   in den 1970ern war verhängnisvoll,

und ich glaubte, dass die Machthaber   das nicht ein zweites Mal tun würden.

Aber wir mussten   einen akzeptablen Kompromiss finden.

Wir setzten uns für diesen   Kompromiss ein, der darin resultierte,

dass das Hauptziel des Streiks   erreicht wurde,

nämlich die Gründung   einer freien Gewerkschaftsbewegung.

Für diesen Kompromiss   setzten wir uns ein,

wohl wissend, dass es riskant war,   wir aber auch gewinnen könnten.

Wir unterbrachen hier, um Tadeusz   Mazowiecki einige Fragen zu stellen,

nicht nur Ost- und Mitteleuropa,   sondern ganz Europa -

welche Wirkung   hatte der Sturz des Kommunismus

auf die gesamteuropäische Entwicklung   in West und Ost?

Man darf nicht vergessen, dass sich   die Rivalität zwischen den Machtblöcken

Der Rüstungswettlauf   hat heute an Bedeutung verloren.

Ich sage nicht,   dass er komplett verschwunden wäre,

aber er hat abgenommen,   und das hatte eine starke Wirkung

auf die wirtschaftliche   Situation Westeuropas.

Zweitens denke ich, dass es einen   gewissen psychologischen Wandel gab.

Drittens wurden aus den   europäischen Institutionen

wie der Europäischen Gemeinschaft   und später der Europäischen Union

Institutionen,   die nicht mehr nur Westeuropa gehören,

In anderen Worten,   Europa ist größer geworden.

Es ist sehr groß, was für mich   ein entscheidender Faktor ist

für die Stellung, die Europa   heute in der Weltpolitik einnimmt.

Abgesehen von dem Widerstand,   dem Sie ausgesetzt waren

seitens der Leute,   die Polen damals regierten,

im Sinne politischer   oder gar psychologischer Haltungen,