Ein Rückblick auf den ehemaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors, der den europäischen Binnenmarkt nachhaltig prägte und die Wirtschafts- und Währungsunion auf den Weg brachte.

Die EU in der Geschichte: Das Europa von Jacques Delors

https://api.multimedia.europarl.europa.eu/documents/20125/19529129/v001-0022-de_mf.srt

tritt Jacques Delors als frisch gekürter  Kommissionspräsident vor das EP.

Der Plenarsaal ist kein Neuland für ihn.

Der französische Politiker war 1979  nach den ersten Wahlen

in die europäische Volksvertretung  eingezogen

und hatte während seiner zwei Jahre dort  Eindruck auf seine Kollegen gemacht.

Delors war der Vorsitzende des  Wirtschafts- und Währungsausschusses.

Laut einem britischen Kollegen,  ich selbst war nicht im Ausschuss,

was seiner Ansicht nach  alles getan werden musste.

Mein Kollege sagte,  er sei zwischendurch einmal eingenickt.

"Als ich aufwachte, sagte Delors gerade:  'Damit komme ich zu Punkt 13.'"

Daran sieht man, wie detailgenau  und zukunftsorientiert Delors arbeitete.

Nach drei Jahren als Wirtschafts-  und Finanzminister unter Mitterrand

Er übernimmt eine Kommission, in  der sich Resignation breitgemacht hat.

Europa, die EWG der 10 Mitgliedstaaten,  steckt in der Krise.

Das deutsch-französische Duo  hat nicht mehr die Dynamik der 70er,

Großbritannien und Dänemark  werden immer euroskeptischer.

Es wird viel gestritten  und wenig erreicht.

"Eurosklerose"  ist das Schlagwort der Stunde.

Manche forderten die Einrichtung  eines europäischen Stabilitätsfonds

vor der Gründung  einer vollen Währungsunion.

Delors macht sich  mit immensem Tempo an die Arbeit.

Schon beim Antrittsbesuch im EP  legt er einen Plan

mit 300 Gesetzesvorschlägen  zur Umsetzung des Binnenmarktes vor.

In sieben Jahren, bis 1992,  soll der Binnenmarkt funktionieren.

Die Staaten lassen sich  von Delors' Eifer anstecken.

Ein Jahr nach seinem Amtsantritt  unterzeichnen sie einen Reformvertrag,

Sie geht weit über  die Binnenmarktthematik hinaus.

Mit der Einheitlichen Europäischen Akte  kamen wir ein Stück weiter

und wurden dann mit dem Vertrag von  Maastricht zu einer politischen Union.

Wir haben damals zum ersten Mal  die legale Grundlage dafür bekommen,

über Bildung, Kultur und Jugend  zu reden. Das war vorher nicht möglich.

Der Weg zum Vertrag von Maastricht  ist weder einfach noch geradlinig.

Die um Spanien und Portugal erweiterte  EWG erlebt das Ende des Ostblocks,

das sich mit dem Mauerfall direkt auf  das Gefüge der Mitgliedstaaten auswirkt.

Soll die Wiedervereinigung  zugelassen werden?

Welche Rolle wird ein  so viel größeres Deutschland spielen?

Im Gegensatz zum  französischen Präsidenten

Sie feiern heute Abend  diese historische Aussöhnung.

Sie werden Ihre Hoffnungen  für die Zukunft singen, für ein Europa,

das für Frieden, Wohlstand  und gegenseitigen Austausch steht.

Der Kommissionspräsident, gerade  zu einer zweiten Amtszeit angetreten,

genießt bei fast allen Regierungen  ein hohes Ansehen.

Nur sein Verhältnis zu Margaret Thatcher  hat sich dramatisch verschlechtert.

lässt sich 1990 zu einer besonders  krassen Antipathie-Kundgebung hinreißen.

Zwei Jahre zuvor hatte es Delors jedoch  mit einer flammenden Rede geschafft,

die euroskeptische  britische Gewerkschaftsbewegung

"Europa ist der beste Weg,  um Thatcher zu besiegen."

Mit dieser Rede führte er  einen Gesinnungswandel herbei.

Am Schluss sangen alle das  französische Kinderlied "Frère Jacques".

Der Vertrag von Maastricht mit seinen  konkreten Vorgaben für die Währungsunion

Delors Dreistufenplan zur Umsetzung  leistet wesentliche Vorarbeit.

Der Höhepunkt war der einstimmige  Beschluss in dem 17-köpfigen Ausschuss,

der mit der Erarbeitung und Umsetzung  der WWU beauftragt war.

bei denen ich als Vorsitzender  oft sehr nervös war.

Die wahren Probleme beginnen  aber erst bei der Ratifizierung.

In Dänemark wird  der Vertrag im Parlament

und bei einer Volksabstimmung abgelehnt.

Erst nach der Aushandlung von  Ausnahmeregeln stimmen die Dänen zu.

Als er schließlich  im November 1993 in Kraft tritt,

hat Delors seine dritte und letzte  Amtszeit als EK-Präsident angetreten.

So sehr der Binnenmarkt und  die Wirtschafts- und Währungsunion

zu den größten Errungenschaften  der Delors-Kommission zählen,

so sehr sind heute beide  alles andere als vollendet.