Progressiv und viel versprechend oder kompliziert und 'zu europäisch'? Unsere Gäste besprechen die Vor- und Nachteile der neuen agenda-setzenden Bürgerinitiative.

Forum: Europäische Bürgerinitiative

https://api.multimedia.europarl.europa.eu/documents/20125/15942629/d001-0023-de_mf.srt

Der 1. April 2012  war ein wichtiges Datum

für die Demokratisierung  des Entscheidungsprozesses in der EU.

So hieß es zumindest  von offizieller Seite.

Mit einer Million Unterschriften  aus sieben Staaten

soll die partizipative Demokratie  in Zukunft möglich sein.

Aber geht es wirklich demokratisch zu  und haben die Bürger Einfluss?

Werden die Regeln  wieder einmal zu kompliziert sein?

Und was kann die Bürgerinitiative  wirklich bewirken?

Zu unserer Diskussion über dieses Thema  begrüße ich Pablo Sánchez

vom Europäischen Gewerkschaftsverband  für den öffentlichen Dienst.

Sie haben am 1. April eine der ersten  Bürgerinitiativen eingeleitet.

Sie wollen,  dass der Zugang zu sauberem Wasser

als Grundrecht  in der EU-Gesetzgebung verankert wird.

Ist das so weit richtig?  -Ja, das trifft zu.

Zu Ihrer Linken  begrüße ich Ulrike Lunacek,

eine österreichische Grünen-Abgeordnete.

Sie sagen, der Erfolg  des gemeinsamen Europas

hänge ganz wesentlich  vom Erfolg der Bürgerinitiative ab.

Ihnen gegenüber begrüße ich  David Campbell Bannerman

von den Europäischen  Konservativen und Reformisten.

Sie haben die EU in der Vergangenheit  mit Jugoslawien verglichen

und das Parlament  als Obersten Sowjet bezeichnet.

Wir werden sehen, ob die  Bürgerinitiative Sie umgestimmt hat

oder ob Sie darin  nur eine kosmetische Veränderung sehen.

Sie haben Ihre Initiative  letzten Sonntag gestartet, am 1. April.

Mussten Sie sich durch ein Dickicht von  komplizierten Vorschriften kämpfen?

Die Informationen auf die Website  zu stellen, war nicht allzu schwierig.

Das Regelwerk zur Organisation  der Bürgerinitiative ist komplex,

und das Schwierigste ist  die Zertifizierung der Website.

Die Kommission hat hier  keine klaren Vorgaben gemacht,

sondern diesen Aspekt  den Mitgliedstaaten überlassen.

Einige Staaten waren zum Auftakt  der Initiative noch nicht so weit.

Das ist das Hauptproblem.  Wenn man die Regeln betrachtet...

Das ist ein wichtiger Punkt, weil  Online-Unterschriften wesentlich sind

und weil man ja auch für die Sammlung  von Unterschriften auf der Straße

Für Bürger ohne IT-Kenntnisse  ist es allerdings extrem schwierig,

sich mit den vielen Vorschriften  auseinander zu setzen.

Eine Frage: Bei dem Verfahren hat man  mit gewichtigen Einrichtungen zu tun.

Mit wie vielen Vertretern der Kommission  hatten Sie Kontakt?

Vor allem mit der zuständigen Abteilung

im Generalsekretariat  der Kommission Barroso.

was uns bei der ersten Kontaktaufnahme  zu Informationszwecken sehr überraschte.

Wir hatten gedacht, die Kommission  würde mehr Personal bereitstellen.

Ulrike Lunacek, die Bürgerinitiative ist  wichtig für die Demokratie in der EU.

Aber ist sie wirklich demokratisch?  -Ja, in der Tat.

Zahlreiche Initiativen  für mehr Demokratie in der EU

sahen ein solches Instrument vor,  auch der Verfassungstext,

der vor 10 Jahren erarbeitet,  aber leider nicht umgesetzt wurde.

Später wurde die Bürgerinitiative dann  zum Bestandteil des Lissabon-Vertrags,

und nun ist sie vonseiten  der Mitgliedstaaten umgesetzt worden.

Das EP hat lange Verhandlungen  mit der Kommission geführt

und die Kommissionsvorschläge  stark verbessert.

Ursprünglich sollten in 12 EU-Staaten  Unterschriften gesammelt werden.

Die Grünen wollten  die Zahl auf fünf reduzieren,

aber ich denke,  sieben ist ein gutes Mittel.

Es gab einen weiteren strittigen Punkt,  bei dem das EP nicht eingelenkt hat.

Ursprünglich sollte eine Sammlung  von 200.000 Unterschriften

vor der Zulässigkeitsprüfung  durch die Kommission erfolgen.

Das war völlig unsinnig. Jetzt wird  gleich nach der Registrierung geprüft,

ob die betreffende Initiative  zulässig ist.

Die Registrierung muss von sieben  Personen aus sieben Staaten ausgehen.

Die Initiative  muss ein Thema betreffen,

das in die Zuständigkeitsbereiche  der EU fällt.

Das ist sehr wichtig. Eine der  am 1. April eingeleiteten Initiativen

ging von Friends of the Earth Europe  und anderen Umwelt-NRO aus.

und Investitionen in Energieeffizienz  und Erneuerbarkeit gefordert.

Die Initiative wurde  um 0.20 Uhr am 1. April eingeleitet.

Der Text musste so formuliert werden,  dass EU-Kompetenz gewährleistet war.

Es reicht nicht,  einfach den Atom-Ausstieg zu fordern,

Natürlich braucht man  eine organisatorische Struktur.

Sieben Freunde in sieben Ländern  reichen nicht ganz,

man braucht  einen organisatorischen Rahmen.

Aber der Punkt ist, dass in der EU  nun erstmals etwas möglich ist,

nämlich dass die Bürger sagen können:  "Wir wollen in der EU etwas verändern."

"Und zwar direkt, nicht über nationale  oder europäische Abgeordnete."

Welche Garantie gibt es,  dass sich wirklich etwas verändert?

Herr Campbell Bannerman, ist dies  ein Fortschritt für die Demokratie?

bezweifle aber,  dass dem hier Vorschub geleistet wird.

Die Initiativen sind für das EP  und die Kommission nicht verbindlich.

Die Kommission kann Anträge ablehnen  und es ist zu erwarten,

dass sie nur Initiativen zulassen wird,  die ihr inhaltlich zusagen.

Ich bin besorgt, dass es letztlich  nur um mehr EU-Integration geht.

Wir haben gerade den Vălean-Bericht  zur Unionsbürgerschaft gehört,