European Ceremony of Honour for Dr. Helmut KOHL,Former Chancellor of the Federal Republic of GermanyandHonorary Citizen of Europe (1930 - 2017) in the EP in Strasbourg. Speech by Angela MERKEL, Chancellor of the Federal Republic of Germany.

Strasbourg

ceremony

MERKEL, Angela (DE)

European ceremony of honour for Helmut KOHL - ceremony (T)

European ceremony of honour for Helmut KOHL (T)

European Ceremony of Honour for Helmut KOHL: Speech by Angela MERKEL, German Federal Chancellor (12:30 - 12:43)

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Sehr geehrte Pr&auml;sidenten und  Ministerpr&auml;sidenten,  Exzellenzen,  sehr  geehrte  Abgeordnete,  sehr  geehrte  Damen  und Herren, liebe Frau Kohl-Richter, liebe Familie Kohl! Wir  nehmen  heute  Abschied  von  Helmut  Kohl&ndash;dem  Kanzler  der  deutschen  Einheit, Karlspreistr&auml;ger und Ehrenb&uuml;rger Europas. Er,  der  einst  als  junger  Mann  Geschichte  studierte,  hat  jetzt  selbst  einen  Platz  in  den Geschichtsb&uuml;chern  eingenommen.  Helmut  Kohl  verk&ouml;rpert  eine  Epoche.  Er  hat  mit  seiner Innen-und   Au&szlig;enpolitik   Pfl&ouml;cke   eingeschlagen,   die   bis   heute   Halt bieten. Seine Bundeskanzlerschaft ist verbunden mit vielen Jahren wirtschaftlicher Prosperit&auml;t.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Doch bei alldem verlor er nie den Blick f&uuml;r das gro&szlig;e Ganze &uuml;ber Deutschland hinaus. Er dachte &uuml;ber den Tag hinaus. So hat Helmut Kohl Umbr&uuml;che mitgestaltet und entscheidend das Deutschland und das Europa mitgeschaffen, in dem wir alle heute leben. Vieles, was f&uuml;r uns selbstverst&auml;ndlich ist, geht auf ihn zur&uuml;ck: Dass Ost-und Westeuropa vereint sind, dass wir einen gemeinsamen Markt haben, dass es keine Grenzkontrollen zwischen EU-Staaten gibt, dass die meisten von diesen Staaten&uuml;ber  eine  gemeinsame  W&auml;hrung  verf&uuml;gen,  dass  es  die  Europ&auml;ische  Union  in  ihrer  heutigen Form  &uuml;berhaupt  gibt,  all das ist und bleibt ganz wesentlich mit dem Namen Helmut  Kohl verbunden.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Er hat eine ganze Generation gepr&auml;gt. So manche Geister schieden sich an ihm, nicht wenige haben sich an ihm abgearbeitet und gerieben. Viele von uns, auch ich, k&ouml;nnen davon erz&auml;hlen. Doch das  tritt  zur&uuml;ck  hinter  dem  &uuml;berragenden  Lebenswerk. Und genau deshalb  zollen  ihm auch politische Kontrahenten Respekt. Wie l&auml;sst sich das erkl&auml;ren? Was mir pers&ouml;nlich an Helmut Kohl besonders imponierte, das waren sein so ausgepr&auml;gtes und feines Gesp&uuml;r f&uuml;r das politisch Machbare wie auch&ndash;und das ist eben kein Widerspruch&ndash;seine unersch&uuml;tterlichen  &Uuml;berzeugungen,  die  ihn  in  seinen  Entscheidungen  leiteten.  Auf  Helmut Kohl war Verlass. Von Anfang an holte er auch Menschen in seine Mannschaft, mit denen er manche in seiner Partei &uuml;berraschte.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Seinen Kabinettsmitgliedern lie&szlig; er durchaus weitgehend freie Hand. Jedenfalls erheblich mehr, als Au&szlig;enstehende denken mochten. Dies konnte auch ich erfahren. Nat&uuml;rlich  war  es  nicht  immer  leicht,  mit  eigenen  Argumenten  durchzudringen. Manchmal schien es sogar schier unm&ouml;glich. Aber er lie&szlig; es sich nie nehmen, seinen Kabinettsmitgliedern mit Rat und manchmal auch mit Tat zur Seite zu stehen, und zwar in ganz konkreten Lebenssituationen. Mir  zum  Beispiel  half  er  1992  monatelang, &auml;rztliche  Behandlungen nach einem schweren Beinbruch mit meinem Ministeramt noch vereinbaren zu k&ouml;nnen. Ja, Helmut Kohl ging auf Menschen zu. Er interessierte sich f&uuml;r sie, er suchte und pflegte enge Kontakte. So gelang es ihm, in Deutschland, in Europa und in der Welt verl&auml;ssliche Beziehungen zu kn&uuml;pfen, Vertrauen aufzubauen und Freundschaften zu schlie&szlig;en.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Er war ein den Menschen zugewandter Weltpolitiker. Als  Helmut  Kohl  1982  Bundeskanzler  wurde,  fuhr  er  als  erstes  nach  Paris.  Ein  Berater  von Pr&auml;sident  Fran&ccedil;ois  Mitterand  berichtete  sp&auml;ter,  dass  sich  die  franz&ouml;sische  Seite  zun&auml;chst  in gro&szlig;er  Zur&uuml;ckhaltung  ge&uuml;bt  habe,  aber  dann&ndash;ich  zitiere:  &bdquo;waren  wir  sofort  Feuer  und Flamme&ldquo;.   Das   pers&ouml;nliche,   herzliche   Verh&auml;ltnis   pr&auml;gte   und   spiegelte   zugleich   das freundschaftliche deutsch-franz&ouml;sische Verh&auml;ltnis wider. Tief in das Ged&auml;chtnis unserer Nationen eingeschrieben ist das Bild beider Staatsm&auml;nner, die Hand in Hand vor den Gr&auml;bern von Verdun standen.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Diese  Geste  der  Vers&ouml;hnung  und  Verbundenheit  markierte  ein  neues  Kapitel  gemeinsamer Geschichte. Helmut  Kohl  verstand  es,  Br&uuml;cken  zu  bauen.  Sie  reichten  nach  Paris  und  Warschau,  nach Washington und Moskau. Unerm&uuml;dlich arbeitete er an einem guten Miteinander Deutschlands mit seinen Nachbarn und Partnern in der Welt.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Er hatte als Kind und Jugendlicher noch selbst den zweiten Weltkrieg erlebt, das unermesslich gro&szlig;e Leid, das Deutschland im Nationalsozialismus &uuml;ber Europa und die Welt gebracht hatte, und auch die &Auml;ngste in Bombenn&auml;chten. Es waren gerade diese Erfahrungen, die ihn antrieben, sich  schon  in  jungen  Jahren  in  der  neu  gegr&uuml;ndeten  Christlich&ndash;Demokratischen  Union  zu engagieren.  Es  waren  diese  Erfahrungen,  in  denen  schlie&szlig;lich  auch  seine  au&szlig;enpolitische Maxime  gr&uuml;ndete,  die  unmissverst&auml;ndlich  lautete:  Wir  m&uuml;ssen  uns  f&uuml;r  ein  Europa  starkmachen, in dem es nie wieder Krieg gibt.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Dieses Denken in geschichtlichen Zusammenh&auml;ngen pr&auml;gte sein politisches Wirken. Zugleich bewahrte sich Helmut Kohl seine Bodenhaftung. Er blieb seiner Heimat, der Pfalz, sein  Leben  lang  aufs  Engste  verbunden.  Fest  verwurzelt,  wie  er  in  dieser  Region  inmitten Europas  war,  hatte  er  auch  einen  besonderen  Sinn  f&uuml;r  die  Sicht  und  die  Gef&uuml;hle  in  unserer Nachbarschaft, und das kam immer von Herzen. Und das sp&uuml;rten seine Gespr&auml;chspartner. Siewussten,  sie  konnten  sich  auf  ihn  verlassen.  Was  er  sagte  oder  zusagte,  dazu  stand  er,  ohne Wenn und Aber.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Als  Helmut  Kohl  Bundeskanzler  wurde,  waren  Deutschland  und  Europa  geteilt.  Eine bewaffnete Konfrontation auf europ&auml;ischem Boden war stets ein pr&auml;sentes Schreckensszenario. Am Ende seiner Amtszeit war Deutschland vereint und zum ersten Mal in seiner Geschichtemit allen seinen Nachbarstaaten in Frieden, Freiheit und Freundschaft verbunden. Der Weg zur Erweiterung der Europ&auml;ischen Union und der NATO nach Mittel-und Osteuropa war bereits weitgehend geebnet. Die Einf&uuml;hrung des Euro als gemeinsame W&auml;hrung war beschlossen. Als Helmut Kohl 1982  Bundeskanzler wurde, habe ich in der DDR gelebt.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Ich  habe  seine Tischrede beim Besuch Erich Honeckers 1987 in Bonn im Fernsehen geh&ouml;rt und gesehen, als er Honecker vor laufenden Kameras sagte&ndash;ich zitiere: &bdquo;Die Menschen in Deutschland leiden unter der Trennung. Sie leiden an einer Mauer, die ihnen buchst&auml;blich im Weg steht und die sie  abst&ouml;&szlig;t.  Wenn  wir  abbauen,  was  Menschen  trennt,  tragen  wir  dem  un&uuml;berh&ouml;rbaren Verlangen  der  Deutschen  Rechnung.  Sie  wollen  zueinander  kommen  k&ouml;nnen,  weil  sie zusammen geh&ouml;ren.&ldquo; Diese   Worte   des   Bundeskanzlers   Helmut   Kohl   gaben   uns   in   der   DDR   Kraft.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Die B&uuml;rgerrechtsbewegung in Polen und anderen Staaten des einstigen Ostblocks sowie der neue Wind, der damals aus Moskau wehte, machten uns in der DDR Mut. Hunderttausende wagten sich auf die Stra&szlig;e, demonstrierten f&uuml;r Freiheit und brachten die Mauer zu Fall. Und Helmut Kohl war es, der die Einheit wollte, als andere noch z&ouml;gerten oder gar abwinkten. Er machte sich daran, den Weg zur Einheit zu ebnen, und hatte dabei stets die Interessen unserer Nachbarn und Partner im Blick. Seine tiefe europ&auml;ische &Uuml;berzeugung und das Vertrauen, das er weltweit genoss, halfen ihm, Sorgen und Bedenken gegen&uuml;ber einem vereinten Deutschland zu  zerstreuen.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Das wird f&uuml;r immer die alles &uuml;berragende, einmalige historische Leistung Helmut Kohls bleiben Gemeinsam mit seinen Partnern bettete er die deutsche Einheit in die europ&auml;ische Einigung ein. Ein Werk des Friedens, ein Werk der Freiheit und ein Werk der Einheit.Und damit kn&uuml;pfte er an Konrad Adenauer, Jean Monnet, Robert Schuman und andere gro&szlig;e Europ&auml;er an. Europa ist das Werk von Generationen. Jede davon steht vor neuen Herausforderungen. Jede muss ihre eigenen Antworten finden, wie sie Europa zukunftsfest macht. Immer wieder kommt es dabei auf das an, was Helmut Kohl in besonderer Weise auszeichnete: auf das Wissen um die  Geschichte, auf  die  Weitsicht, in langen Zeitlinien zu denken, auf  die N&auml;he zu den Menschen, auf den Blick f&uuml;r das Machbare und das Zumutbare.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Heute gibt es eine Todesanzeige des &bdquo;F&ouml;rderkreises Denkmal f&uuml;r die ermordeten Juden&ldquo; f&uuml;r Helmut Kohl. Und darin wird daran erinnert, was Helmut Kohl f&uuml;r dieses Denkmal in der Mitte Berlins geleistet hat. Es steht stellvertretend f&uuml;r sein Handeln. Er wird dort, als das Denkmalgegen heftigen Widerstand durchgesetzt werden musste, mit folgenden Worten zitiert: &bdquo;Nicht die  n&auml;chste  Generation,  sondern  unsere  muss  es  bauen.  Wir,  jetzt,  heute,  hier  und  nicht irgendwann.&ldquo;  Und  so  wurde  es  dann  beschlossen,  im  Deutschen  Bundestag, mit Zweidrittelmehrheit. Meine   Damen und Herren, wir werden Helmut Kohl nachher nach Deutschland zur&uuml;ckbegleiten.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Sein Weg wird noch einmal durch seine Heimatstadt Ludwigshafen f&uuml;hren. Hier war er zu Hause, lange Jahre zusammen mit seiner ersten Frau Hannelore, die ihm in guten wie in schlechten Zeiten stets zur Seite stand. Wir gedenken auch ihrer in Dankbarkeit. Und liebe Frau Kohl-Richter, Sie haben Ihren Ehemann Helmut Kohl in all den letzten Jahren voller  Hingebung  und  Liebe  begleitet&ndash;bis  zuletzt.  Ihnen  geh&ouml;rt  mein  Mitgef&uuml;hl.  Mein Mitgef&uuml;hlgeh&ouml;rt allen, die in Helmut Kohls Familie um ihn trauern. Den  Schlusspunkt  finden  die  Trauerfeierlichkeiten  heute  in  Speyer.  Und  damit  schlagen  wir noch einmal den Bogen von Frankreich nach Deutschland, in die Heimat, in die Pfalz.

SOUNDBITE (German), Angela MERKEL, German Federal Chancellor, Vom Ehrenb&uuml;rger Europas zum Kanzler der Einheit, als den wir Deutschen und viele andere ihn auf immer im Ged&auml;chtnis behalten werden. Ohne Helmut Kohl w&auml;re das Leben von Millionen Menschen, die bis 1990 hinter der Mauerlebten, v&ouml;llig anders verlaufen&ndash;nat&uuml;rlich auch meines. Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke f&uuml;r die Chancen, die Sie mir gegeben haben. Danke f&uuml;r die Chancen, die Sie vielen anderen er&ouml;ffnet haben. Danke f&uuml;r die Chancen, die wir als Deutsche und Europ&auml;er durch Sie erhalten haben. Sie haben  unendlich  viel  erreicht.  M&ouml;gen  Sie  in  Frieden  ruhen.  Jetzt  ist  es  an  uns,  Ihr Verm&auml;chtnis  zu  bewahren.  Ich  verneige  mich  vor  Ihnen  und  Ihrem  Angedenken&ndash;in Dankbarkeit und Demut.