Ein Ausweg aus der Wirtschaftskrise, die Beibehaltung der offenen Grenzen, Emissionssenkungen - die polnische Ratspräsidentschaft steht vor großen Herausforderungen.

Europaforum: Schlichterin zwischen den Euro-Ländern?

https://api.multimedia.europarl.europa.eu/documents/20125/15696319/D001-0016-DE.srt

Hallo und willkommen  zu unserer EuroparlTV-Debatte,

die auf Polnisch geführt wird und sich  um den polnischen Ratsvorsitz dreht.

Was sind die Prioritäten,  Herausforderungen und Risiken,

und welche Erwartungen  haben die anderen Mitgliedstaaten?

Dazu begrüße ich Daniel Gros  vom Centre for European Policy Studies,

Krzysztof Lisek  von der Europäischen Volkspartei,

Paweł Kowal von den Europäischen  Konservativen und Reformisten

und Sven Giegold  von der Fraktion der Grünen.

Polen hat sich  drei Schwerpunktziele gesetzt:

"die europäische Integration  als Wachstumsquelle",

und "Europa,  das von seiner Öffnung profitiert".

Halten Sie diese Ziele für realistisch?

Ja, ich denke, sie sind realistisch  sowie auch gerechtfertigt.

Das war einer der Gründe,  warum Donald Tusks Rede im Parlament

und von der Mehrheit der Abgeordneten  überaus positiv aufgenommen wurde.

Polen setzt mit diesen Prioritäten  keine völlig neuen Schwerpunkte.

Sie sind eine Reaktion auf die  aktuellen Herausforderungen an die EU,

auf Aspekte und Bereiche,  die verbessert,

modernisiert und reformiert  werden müssen.

Polen wird das natürlich  nicht im Alleingang angehen,

sondern innerhalb des im Vertrag von  Lissabon festgelegten Handlungsrahmens.

Eine Ratspräsidentschaft  regiert Europa nicht allein,

aber sie kann neue Trends setzen  und Prioritäten aufzeigen.

Befürchten Sie,  dass Ihre Ziele scheitern könnten,

weil dringendere Dinge  auf die Tagesordnung rücken?

Das ist der Alptraum  einer jeden Präsidentschaft.

Während Frankreichs Präsidentschaft  kam es zu dem Konflikt in Georgien,

der das Tagesgeschehen  dann über mehrere Monate beherrschte.

wie zum Beispiel in unseren  nordafrikanischen Nachbarstaaten.

Diesen müssen wir uns stellen,  aber wir sind trotzdem stark genug,

auch die internen Probleme anzugehen.  -Herr Kowal?

Für mich ist dies lediglich eine  Beschreibung von relevanten Bereichen.

Die Prioritäten der Präsidentschaft  sind sehr allgemein gefasst.

Das dritte Ziel wirft zum Bespiel  schon jetzt große Probleme auf.

Wer die Debatten im EP verfolgt, weiß,  dass viele mit der Offenheit hadern.

Einige wollen  die Binnengrenzen schließen,

während andere weiterhin  von mehr Freizügigkeit träumen.

Manche wollen nichts von einem Beitritt  weiterer östlicher Staaten wissen,

andere wollen die südlichen Außengrenzen  der Europäischen Union schließen.

All das erinnert an den Verfall  des Römischen Reiches.

Wir verstärken die Grenzwälle,  um unser wankendes Reich zu schützen.

An Tusks Rede hat mir sehr gefallen,  dass er Folgendes klargestellt hat:

Die Antwort auf diese Entwicklungen ist  Offenheit im wahrsten Sinne des Wortes.

Manche befürchten angesichts solcher  Debatten das Ende des Schengen-Raums.

Viele Bürger meines Landes  sind darüber sehr beunruhigt.

Allein der Gedanke an eine Schließung  der EU-Binnengrenzen ist bestürzend.

aber die offenen Binnengrenzen  beibehalten.

zu einer wirtschaftlich  und kulturell unbedeutenden Region,

die nur als  Einkaufs- und Reiseziel dient.

Herr Giegold, halten Sie  die Prioritäten für realistisch?

Hinter den Schlagzeilen steckt  natürlich ein detailliertes Programm,

das die zugrundeliegende Agenda  weiterentwickelt.

Es ist verständlich,  dass ein Land wie Polen,

dem die Grenzen zu Deutschland und  anderen Ländern lang verschlossen waren,

das Prinzip der Offenheit  zur Priorität erhebt.

Die deutschen Grünen  haben es befürwortet,

die Grenzen sofort  mit dem EU-Beitritt Polens zu öffnen.

Die Freizügigkeit  ist das Recht aller EU-Bürger

und darf nicht eingeschränkt werden,  auch wenn viele derzeit sagen,

die europäische Integration  sei zu weit gegangen.

Meiner Fraktion hat Tusks Rede  gerade in dieser Hinsicht gefallen.

Er hat keinen Zweifel daran gelassen,  dass er europäisch denkt.

Aber um auf die Prioritäten  zurückzukommen:

als sei die Schließung der dänischen  Grenzen unser einziges Problem.

Europa steckt in einer Wirtschaftskrise,  wir brauchen Lösungen.

Für Polen ist das problematisch, weil  der Euro noch nicht eingeführt wurde,

der Kern des Problems  aber bei den Euro-Staaten liegt.

Sie stellen eine akute Bedrohung  für den europäischen Traum dar.

Diesen Traum gilt es zu verteidigen -  auch deshalb war Tusks Rede sehr gut.

Wir kommen noch  auf den Euro zu sprechen,

aber zunächst möchte ich Herrn Gros  nach seiner Meinung fragen.

Jede Ratspräsidentschaft  formuliert Prioritäten,

gewisse Ziele,  die man erreichen möchte,

Und die sieht  in den nächsten 6 Monaten so aus,

dass ein fundamentales Problem  in der Euro-Zone besteht.

ist im Bereich der wirtschaftlichen  Integration kaum Fortschritt möglich.

und leider hat sich die Krise mit  dem Beginn dieser Ratspräsidentschaft

sogar noch weiter verschärft  und nun auch auf Italien übergegriffen.

Die Regierungen der Kernländer,  darunter Deutschland und Frankreich,

werden wohl ausschließlich  mit diesem Problem beschäftigt sein.

Herr Gros, Polen gehört  zu den sechs größten EU-Staaten.

Sind die Erwartungen  auch angesichts dieser Tatsache groß?

Nein, aber Polen hat am Rande der Krise  eine sehr konstruktive Rolle gespielt.

und kann deshalb meiner Ansicht nach  ein guter Vermittler sein.

Aber auf die derzeitigen Vorbereitungen  für den Gipfel der Euro-Länder

hat die Präsidentschaft  nur einen sehr begrenzten Einfluss.

Sie kann nützlich sein, weil Polen  neutral und wirtschaftlich stark ist,

aber das Kernproblem  liegt bei den Euro-Ländern selbst.

Wir kommen darauf zurück,  aber zunächst eine Zuschauerfrage.